Flyer – Kopfüber – Handstand

Der Handstand (HS) bietet jedem Flyer 2 Herausforderungen, nämlich die Balance und den Eingang in die Position. Während die Balance für den Solo-Artisten essentiell ist, stellt sich für die Partnerakrobatik der Eingang oftmals als die größere Hürde dar. Für die Balance durch den Base genügt es, wenn der Flyer seine Form halten kann, sobald er die Position erreicht hat.

Herausforderung Nummer 1: Wie erreicht man die Partner-Balance?

Die Schulter des Flyers ist viel instabiler als die Hüfte. Dadurch kommen Korrekturen des Base sehr verzögert bzw. gar nicht im Schwerpunkt des Flyers an. Wenn ein Base einen Trick mit stehendem Flyer nicht beherrscht, ist dies ein deutliches Indiz dafür, dass es im Handstand erst Recht nicht klappen wird.

Im HS muss der Flyer lernen, notwendige Korrekturen immer aus der Körpermitte heraus zu initiieren. Dazu ist jedoch sehr viel Erfahrung im Umgang mit dem Öffnen und Schließen des Bauchraumes notwendig! Anfänger korrigieren meist mit den Gelenken. Da die Arme gestreckt bleiben sollen und Änderungen immer Scherkräfte erzeugen, ist das kleinste Übel eine Korrektur in der Schulter. Alle anderen Gelenke sollten nach Erreichen der gewünschten Form einfrieren.

Eine weitere sehr interessante Diskussion ist auch die Position des Kopfes im HS… hier ein Video von Yuval Ayalon:

Seine hervorragende Handstandlinie zeigt, dass die Position des Kopfes keinen direkten Einfluss auf die Rückenlinie, sehr wohl aber auf die Kraftlinie hat, was wiederum an der Position der Schulter über der Hand zu erkennen ist. Schulter und Schwerpunkt sind bei ihm immer genau senkrecht übereinander. Sobald der Kopf aus dieser Linie ausschert, muss er dies mit der Verlagerung des Gewichts über der Hand kompensieren. Da der Boden nicht die Schwächen (Strohhalmproblem) eines Base in sich birgt, bleibt er davon natürlich unbeeindruckt.

Übrigens: Der Weg der Beine nach oben ist bei ihm für den Hand2Handstand nicht ideal. Die Füße überziehen in den Rücken. Perfekt dagegen ist der Weg aus dem Handstand zurück zum Stehen. Und damit sind wir schon mitten in der Herausforderung Nummer 2…


Herausforderung Nummer 2: Wie erreicht man die Position?

Der Eingang in den HS erfordert zunächst eine Trennung von Drehachse und Schwerpunkt. Während die Drehachse möglichst stabil im Raum gehalten wird, muss der Schwerpunkt nach oben beschleunigt und über die Drehachse rotiert werden. Dabei gibt es 2 Möglichkeiten, den Kopf unter den Schwerpunkt zu bekommen:

  1. nach vorne kippen (wird oft auch missverständlich als Rollen bezeichnet)
  2. zur Seite kippen (bekannt vom Rad aus dem Turnen)

Um dabei keine Scherkräfte zu erzeugen, wird eine Hochentlastung mit nachfolgendem Drehimpuls notwendig. Der Drehimpuls muss nur für einen viertel Salto vorwärts bzw. ein viertel Rad seitwärts ausreichen, was wiederum jeder, der einen Hechtsprung ins Wasser schafft, ohne Probleme hinbekommen sollte. Die Schwierigkeit beim Eingang ist also nicht, genug Drehimpuls zu erzeugen, sondern nicht zu früh zu bremsen! Wer mit dem Kopf oder den Oberschenkeln einen Gegenimpuls erzeugt, initiiert einen Rückwärtssalto. Wer nach vorne springt, verschiebt die Drehachse und wer die Ellbogen anwinkelt, bremst die Rotation. Die Folge ist, dass der Flyer mit seinem Schwerpunkt nicht über den Haltepunkt kommt.

 

Variante 1 – nach vorne kippen:

Der Begriff Rollen ist deshalb missverständlich, da er impliziert, dass der Körper wie ein Teppich rollen soll. Prinzipiell ist an diesem Bild nichts verkehrt, dennoch gelingt es den wenigsten Menschen, jeden einzelnen Wirbel nacheinander und einzeln anzusteuern. Tatsächlich ist dies auch gar nicht notwendig, um in den Handstand zu kommen. Wichtiger ist es, den Körper für eine Rolle vorwärts zu präparieren, eine Hochentlastung und danach eine Rotation zu erzeugen…

Die Drehachse ist die Schulter. Diese muss vor der Hochentlastung immer über den Händen bleiben!

 

Phase 1: Flyer startet mit einer angelehnten Position in Kipprichtung. Der Bauchraum ist zu und die verbundenen Hände sind auf Druck. Die Schulter (und damit die Drehachse) startet und endet über dem Haltepunkt. Der Flyer startet mit einem aktiven Sprung (also Sprung ohne Impuls!).

 

Phase 2: Übergang vom Lehnen zum Kippen (s.a. Feldumschwung beim Turnen = Bewegung ist ähnlich dem Strumpfhosen ausziehen). Der Base muss das Kippen zulassen und zusammen mit dem Flyer die Hochentlastung erzeugen.

 

Phase 3: Die Rotation verstärken („bring Deinen Hintern drüber“), indem die Impulse in Drehrichtung addiert werden → Fersen und Schulter aktiv in Drehrichtung um den Schwerpunkt herum beschleunigen. Hierbei wird es kurzzeitig zu einer leichten Schultervorlage kommen, die jedoch während der Hochentlastung kein Verscheren der Hände erzeugt.

Die kurzzeitige! Päckchenposition entsteht, weil der Flyer den Oberkörper in Richtung der Oberschenkel zieht, nicht umgekehrt! Nochmal: das Anziehen der Oberschenkel führt zu einem Rückwärtssalto. Auch das Anwinkeln der Arme bremst die Rotation und verschert meist die Arme nach aussen.

 

Phase 4: die gewünschte Form einnehmen, ohne den Schwerpunkt zu verändern, oder einen weiteren Rotations-Impuls zu erzeugen. In dieser Phase wird der Flyer durch den Base abgeholt, indem dieser den Flyer bis zum Erreichen der Endposition weiterkippen lässt. Damit laufen die Beine des Flyers wie von selbst weiter nach oben in den HS.

 

Übliche Fehler: Viele Flyer neigen in der 4ten Phase dazu, die Rotation durch einen zweiten Impuls aus der Streckung der Beine zu erzeugen. Dies führt jedoch zu einer unnötigen Verscherung in den Händen des Base, der dann den Flyer wieder einfangen muss.

 

 

 

 

Variante 2 – Radwende in den HS:

Die Drehachse ist die Schulter über dem Haltepunkt.

 

Der Flyer bringt seinen Schwerpunkt über sein Standbein. Dies wird je nach Eingang unterschiedlich ausfallen. Hier ist der Eingang über dem Unterarm (nahe dem Ellbogen) des Base,  dargestellt.

 

 

 

Phase 1: Flyer startet wie bei einer Radwende vorwärts mit einem aktiven Sprung über eine flüchtige Standwaage.

 

 

 

Phase 2: Der Base verlängert den Schub des Schwungbeins (nicht des Standbeins!) bis zur Hochentlastung. Der Flyer initiiert analog zur Radwende eine viertel Schraube.

 

 

 

Phase 3: Die notwendige Rotation zum Handstand entsteht durch das Schwungbein des Flyers.

 

 

 

Phase 4: Das Schließen der Beine und damit die Endposition im Handstand wird durch den Base initiiert, indem er den Flyer aus dem flüchtigen Einarmer abholt.

Übliche Fehler: Ein weiterer Impuls des Flyers aus den Beinen erzeugt nur unnötige Scherkräfte. Manche Flyer versuchen sich mit der 2ten Hand in den HS zu ziehen, was die Belastung ihrer Schulter unnötig erhöht. Es ist ebenfalls keine gute Idee, in die Ellbogen einzutauchen.