Wie definiert man Erfolg? Nun… das Rezept von Wikipedia verwendet hierzu 2 Zutaten, das Ziel und die Umsetzungskompetenz. Wenngleich sich jeder sein Ziel selbst definiert, so ist es für mich im Tango eindeutig die Verbindung von Frau, Mann und Musik. Ich bleibe bewusst bei der Aufteilung Mann und Frau, da Leader und Follower eine Rollenzuteilung unterstellt, die ich persönlich nicht so sehe. Eine Frau bleibt immer eine Frau, auch wenn sie die Führungsrolle übernimmt. Eine Einteilung in Maler und Pinsel birgt das gleiche Problem. Die von Wikipedia geforderten Umsetzungskompetenzen verstehe ich als die dazu notwendigen „Basics“: die Haltung, den Tangoschritt („La Caminata„) und die Interpretation der Musik.
Diese Basics eignete ich mir bereits über viele Jahre hinweg im Ballroom an, und so hatte ich sicher auch keinen Anfängerkurs nötig. Warum war es mir anfangs trotzdem schier unmöglich, die Verbindung zur Tanguera und der Musik über eine Tanda hinweg zu halten? Natürlich kann ich nicht mit jeder Frau eine Verbindung herstellen, brauche ich doch in meiner Fantasie immer auch einen Platz für „mehr“. Weshalb es für mich auch nie sinnvoll erschien, mit einem Mann zu tanzen. Damals hatte ich manchmal zu Tanzbeginn eine Verbindung, die plötzlich zerfaserte, nur weil ich meine Aufmerksamkeit auf Schritte abschweifen ließ. Irgendetwas wesentliches an diesem Tango Argentino hatte ich also noch nicht verstanden. Also doch… Anfängertraining!
Zu dieser Zeit hörten sich alle Tangos gleich an und die gezeigten Schritte waren für mich nie neu. Nach 2-3 Jahren Tangotanzen änderte sich jedoch meine Wahrnehmung für die Musik und ich erkannte unterschiedliche Emotionen, die ihren Ausdruck suchten. Meine Suche nach der einzig gültigen Wahrheit für die „Caminata“ fand jäh ein Ende, da jede Emotion eine eigene Form erforderte und mich damit komplett überforderte. Damit war einmal mehr das Gefühl dominant: „Das lerne ich nie!“.
Dennoch haben auch Weltmeister irgendwann einmal angefangen. Und so oft ich die Gelegenheit hatte, sie zu fragen, es waren sich alle einig… Ihr Geheimnis lässt sich mit einem Wort erfassen: „ÜBEN!“. Sicher, es gehört auch ein gewisses Maß an Talent dazu, jedoch auch da waren sich alle einig… nur ca. 10 Prozent Talent reichen für den letztendlichen Erfolg.
Der Fokus liegt auf den Kernkompetenzen, den Basics. Sie wurden mir zu Ritualen, wie das Zähneputzen. Ich war mir selbst immer mein größter Kritiker. Wenn mein Körper mir gnadenlos mitteilte, welche Bewegung gerade wieder mal nicht gepasst hatte. Ein bestimmtes Gefühl wollte sich nicht einstellen und ich fühlte mich enttäuscht, da dieses doch das letzte große Schlüsselerlebnis in meiner aktuellen Entwicklung war. Was war nur wieder falsch? Oder hatte ich die neue Idee schon so automatisiert, dass sie mir normal vorkam? Stehe ich heute eigentlich gerade? Wie fühlt sich das gerade Stehen heute an? Selbstzweifel nagen an mir und ich habe das Gefühl, immer noch am Fuß des Berges zu stehen, den ich bereits seit 37 Jahren zu erklimmen versuche. Also zurück zu den Basics… Blick in den Spiegel: Haltung stimmt?! Also gut, komme ich mit dem Gewicht auf meinen Schritten an? Wie fühlt sich die Drehung an? Oje, ich kippe…. Nochmal! Bin ich bereit, mit der Partnerin meiner Wahl zu tanzen? Ok, sie scheint zufrieden zu sein… na dann, alles gut!
Von außen kaum wahrnehmbar, stelle ich mich doch immer wieder in Frage. Das Feedback aus meinem Umfeld ist, dass mir viele gerne beim Tanzen zusehen und die Energie meiner Art zu Tanzen sehr schätzen. Warum spüre ich es selbst so selten? Ich vermute, weil mir meine Bewegung selbstverständlich geworden ist.
Bleibt nur meine volle Aufmerksamkeit dem Dialog zu widmen, denn ohne ihn werden die Selbstzweifel nur noch größer! Wie komme ich in den Dialog? Das Thema ist klar… die Musik. Was will die Musik von mir? Wie reagiert mein Körper auf sie? Spannung oder Entspannung? Wie empfindet es meine Partnerin? Welchen Teil der Musik interpretiert sie gerade? Sucht sie ebenfalls den Dialog? Geht sie auf Distanz, oder schmiegt sie sich an mich an? Aus welchem Stoff ist ihr Kleid? Wo ist ihr Kopf und was machen ihre Füße? Welcher Teil ihres Körpers reagiert auf meine Impulse? Ich spüre den Hauch ihrer Atmung an meinem Hals, ihre Umarmung ist weich und rund… Hurra, ich darf mit ihr die Musik malen!
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