Ocho

Der Ocho (→ 8) ergibt sich aus dem korrekt getanzten Vorwärts- oder Rückwärtsschritt → dem Caminata. Zur Erinnerung: sowohl in der Vorwärts- als auch Rückwärtsbewegung gibt es 2 Knie-zu-Knie-Positionen direkt hintereinander. Diese kurzen Momente werden nicht gehalten und sollen keine Streckung der Knie erzeugen. Die Ferse des Standbeins bleibt am Boden.

Um das Schreitbein unter dem Schwerpunkt durchpendeln zu lassen, und dabei die Knie eng aneinander vorbei zu führen, ist ein kleiner Pivot auf dem Ballen des Standbeines erforderlich. Dabei dreht der Oberkörper voraus und zieht das Standbein hinter sich her. Durch diesen Pivot entsteht eine S-Kurve im weiteren Bewegungsablauf, was bereits einer halben 8 entspricht. Obwohl mit dieser Bewegungsfolge keine ganze 8 getanzt wird, bekam er den Namen: Ocho. Immerhin malt das freie Bein eine 8, was es aber öfter tut… Vermutlich wäre der Name Arco (→ Bogen) sinnvoller gewesen.

Ein Ocho wird meist nur als solcher erkannt, wenn dabei der Pivot mit einem Drehumfang um die 90 Grad oder mehr getanzt wird. Für den Pivot im Ocho gibt es jedoch keinen festgelegten Drehwinkel. Der neue Fußansatz überkreuzt „einfach“ nur die vorangegangene Bewegungsrichtung. Den Schritt nicht zu überkreuzen ähnelt dem Skaten beim Skilanglauf. Es gibt viele Beispiele für skatende Tanguer@s, aber mir fehlt dabei die Anmut einer Katze… Eine offene Position in den Beinen mit gebeugten und ausgedrehten Knien ist meines Erachtens stets zu vermeiden. Es gibt nur sehr wenige Tanguer@s, die dabei gut aussehen.

Diese Bewegung trainieren übrigens auch die Model für ihren Weg über den Laufsteg (→ Catwalk). Wenn ein Model ohne Pivot die Schritte überkreuzt, sieht sie eher wie ein Storch aus. Die lateinamerikanischen Damen werden diese Bewegung im Opening Out der Rumba wieder erkennen. Im Tango Argentino bleibt die Hüfte unter der Schulter und die Beine bleiben leicht gebeugt.


Führung:

Der Führende wartet mit seinem Bewegungsimpuls, bis die Folgende den gewünschten Drehumfang erreicht hat. Diesen Drehumfang führt er, indem er sich selbst entsprechend positioniert. Gibt er seinen Platz frei, tanzt die Dame in diesen Raum. Gibt er ihn nicht frei, tanzt die Dame von ihm weg, ohne allerdings die Haltung aufzugeben. Nutzt die Dame die Gelegenheit, um mit viel Energie vom Herrn weg zu drehen, entsteht eine Schattenposition, bei der beide Tänzer in die gleiche Richtung stehen. Dieser stark überdrehte Ocho erfordert eine Dissoziation (= binnenkörperliche Verdrehung von Oberkörper zu Unterkörper) von der Dame, wofür sie ausreichend Bewegungsfreiheit auf der rechten Seite des Herrn benötigt. Die Arme der „geschlossenen“ Seite gleiten in- und auseinander, um der Dissoziation keinen Widerstand zu geben und sie mühelos wirken zu lassen.


Beispiel: Vorwärtsocho der Dame

   

Bild 1) Startposition: Gekreuztes System, d.h. jeder steht auf seinem rechten Fuß

Bild 2) die Dame tanzt den Pivot im rechten Fuß – danach beginnt für sie ein normaler Vorwärtsschritt

Bild 3) der Führende erzeugt einen Impuls aus dem Standbein

Bild 4) der Gewichtstransfer ist für die Dame vorwärts und für den Herrn seitwärts

Bild 5) der Schritt ist abgeschlossen – die Dame endet in einer starken Dissoziation

Bild 6) die Dissoziation wird aufgelöst – der Raum für den nächsten Schritt erzeugt


Varianten:

  • Wenn der Fuß des Schreitbeins während des Pivot vor- oder hinterkreuzt gehalten wird, entsteht ein Enrosque.
  • Wenn der Führende während des Pivots die Dame zurückdreht (Rebound), entsteht ein Boleo.
  • Ein Sonderfall ist der Ocho Cortado (→ geschnittener Ocho). Vermutlich bekam diese Figur ihren Namen dadurch, dass die Dame an der Ausführung eines Ochos gehindert wird…