Definitionen

Der Kritiker Louis Leroy beschimpfte Claude Monet (Beitragsbild: Impression — soleil levant, 1872, Musée Marmottan, Paris) als „Impressionisten“ und bezichtigte ihn der Oberflächlichkeit. Zuvor schon waren die Künstler aufgrund ihrer Maltechnik als Intransigeants („Die Eigensinnigen“) bezeichnet worden (Auszug aus Wikipedia).


Auch Akrobaten sind Künstler und deshalb ebenfalls kreativ und eigensinnig… es wird diskutiert und lamentiert, ob und wie Partnerakrobatik funktionieren sollte. Jeder weiß es besser… Braucht man eine Hilfestellung? Wem vertraut man dazu? Und wie gefährlich ist der Trick denn nun wirklich?

Verletzungen dagegen sind tatsächlich eher selten. Und wenn, dann liegt es eher daran, dass notwendige Absprachen nicht getroffen wurden, oder aneinander vorbeigeredet wurde. Meistens kann der Fehler des Partners kompensiert werden. Lediglich der arglose Zuschauer ist am Rande eines Herzinfarkts.

Die Kreativität der Akrobaten ist oft unglaublich und verwendete Bezeichnungen mehrfach belegt. Als gute Basis für gemeinsame Kommunikation hat sich die Reduzierung auf allgemein gebräuchliche Begriffe bewährt, auch wenn diese Begriffe wenig sexy klingen… Jeder Akrobat kann liegend, stehend und kopfüber voneinander unterscheiden. Base und Flyer kennt auch noch jeder. Jedoch bei Begriffen wie „hoch“ gehen die Vorstellungen schon weit auseinander. Manche verstehen darunter einen stehenden Base, andere erwarten noch lange Arme dazu…

Nachfolgend finden sich ein paar Definitionen, auf die ich mich in den einzelnen Beiträgen immer wieder beziehe. Grundsätzlich bin ich bemüht, so wenig Fachchargon wie möglich und falls nötig, die etablierten Begriffe aus dem Turnen zu verwenden.


9 Begriffserklärungen, um diesen Blog zu verstehen…

Ist die Fähigkeit, einen Flyer entgegen der entstehenden Scherkräfte in der Luft zu halten. Im Idealfall sind nur etwas Kraft und kleinere Korrekturen erforderlich.

Vielleicht schmunzelt der Eine oder Andere jetzt etwas... aber Ihr solltet bedenken, dass Ihr Euer eigenes Gewicht mit etwas Übung auf einem Arm halten könnt. Warum also nicht das doppelte Gewicht auf beiden Armen? Mangelnde Kraft ist jedenfalls nicht das Problem... versucht mal ein halbvolles Faß anzuheben, Ihr werdet nicht am Gewicht scheitern!
Mit Haltepunkt ist der Kontakt zwischen Base und Flyer gemeint, um diesen zu balancieren. Eine einarmige Balance ist damit nicht nur einarmig, sondern hat auch nur einen Haltepunkt.
Damit ist die stabile Momentaufnahme eines Tricks gemeint, ohne Bezug auf Ein- oder Ausgang.
Ein Trick ist nicht nur eine Position, in der ein Flyer balanciert wird. Er beginnt ab dem Moment, in dem der Flyer den Boden verlässt und der Base die Balance übernimmt, und endet, wenn der Flyer wieder auf seinen eigenen Füßen steht.

Zur Bestimmung des notwendigen Levels sind entscheidend:
  • die Position des Base,
  • die Form des Flyers und
  • der Haltepunkt, an dem der Base den Flyer stützt.

Manchmal ist der Eingang schwieriger als die angestrebte Position selbst, da der Aufbau dynamisch oder mit Kraft über eine andere Position erfolgt.
Die Kraftlinie ist eine ballistische Betrachtung des Schwerpunktes eines Flyers in Richtung des Haltepunktes seines Base. Damit ist insbesondere die gegenseitige Beeinflussung der 2 Kraftvektoren von Base und Flyer gemeint. Ziel des Base ist es, den Fall des Flyers beim Landen ruckfrei und ohne Scherkräfte auf 0 zu reduzieren.

Die Kraftlinie verhält sich ähnlich den Beinen eines Stuhles. Je mehr Beine, desto weniger Kraft ist in der Balance dieses Haltepunktes notwendig, da sich die auftretenden Scherkräfte weniger stark auswirken. Beim 3beinigen Stuhl kann man die eigenen Beine viel sorgloser vom Boden abheben, als beim 1beinigen...
Lehnen bedeutet, dass der Flyer seinen Schwerpunkt in eine Richtung ausserhalb der Kraftlinie verlagert. Dies geschieht nur dann kontrolliert, wenn dabei kein Impuls entsteht. Dazu muss der Flyer lernen, eine bewusste Verkürzung in der Körpermitte zu erzeugen, die ihn in die gewünschte Richtung lehnen lässt. Sobald sein Schwerpunkt sich in Fallrichtung beschleunigt fängt er an zu kippen. Es ist Aufgabe des Base diese Beschleunigung zu kontrollieren, indem er sie bremst, oder je nach Trick auch verstärkt.

Ein Kippen durch den Base entsteht bereits durch eine minimale Veränderung des Haltepunktes ausserhalb der Kraftlinie. Wenn der Base das Kippen bewusst initiiert hat, darf der Flyer nicht korrigieren, da er ansonsten unerwünschte Scherkräfte erzeugt. Im Zweifelsfall abbrechen!
Rotationen werden durch das Kippen des Flyers in der Form des maximalen Drehmoments (z.B. Streckung) eingeleitet.

Die nachfolgende Rotation entsteht durch einen Impuls des Base entlang der Kraftlinie hinter dem Schwerpunkt des Flyers vorbei. Zusätzlich verändert der Flyer seine Form in Richtung minimalem Drehmoments (z.B. Päckchen), damit die Rotation beschleunigt wird. Diese Veränderungen müssen immer in Richtung der Rotation verlaufen.
Häufiger Fehler beim Vorwärts-Salto ist, dass der Flyer die Oberschenkel aktiv anzieht, womit er einen Impuls für den Rückwärts-Salto erzeugt.

Die Rotation wird beendet, indem der Flyer wieder die Form des maximalen Drehmoments (z.B. Streckung) einnimmt.

Grundlagen Physik: nur Rotationen mit dem kleinsten oder dem größten Drehmoment eines Körpers sind gegen Torkeln stabil... (hier ein Versuch in der Schwerelosigkeit → Dschanibekow-Effekt)

Und hier noch eine detaillierte Erklärung für Nichtphysiker von Vertasium.com.
Die Hochentlastung nutzt die Massenträgheit des Flyers. Im Idealfall addieren sich die Kraftvektoren von Base und Flyer. Die Hochentlastung passiert demzufolge immer entlang der Kraftlinie. In Tricks ist die Hochentlastung notwendig, wenn der Flyer dynamisch (statisch → Kraftakrobatik) rotieren oder rollen soll.

Im Moment der Hochentlastung kann der Base seine gesamte Kraft gegen die auftretenden Scherkräfte einsetzen, da der Flyer in diesem Moment schwerelos ist. Damit kann der Base z.B. auch den Haltepunkt korrigieren.
Die Scherkraft ist ein Kraftvektor, der quer zur Kraftlinie eingebracht wird, also die Kraft, die eine Slackline zum wackeln bringt.

Sie lässt sich leider nicht vermeiden! Wenn sie allerdings ruckartig entsteht, wurde sie meistens durch eine instinktiv eingebrachte Korrektur des Flyers erzeugt. Ein Stock lässt sich sehr einfach balancieren, da die Fallrichtung schnell korrigiert werden kann. Wenn ein Flyer korrigiert, dann wird er für den Base unberechenbar! Und im besten Fall sieht der Base aus, wie wenn er eine Rassel balancieren würde…

Als Base ist es sehr praktikabel, sich eine große Kugel vorzustellen, die er balancieren, aber auch gewollt kippen und rotieren lassen kann. Dazu wird er bewusst Scherkräfte einbringen, ohne die Haltefläche zu verändern (kein Verkanten!).

Nur noch mal zur Verdeutlichung meiner vorangegangenen Begriffsdefinitionen: dieses Bild zeigt 1en Trick, der anfangs 4 Haltepunkte (Stehen auf der Schulter mit den Händen abgestützt) hat und mit 2 Haltepunkten (Handstand in Händen beim stehenden Base) endet. Weiterhin sind je 2 Positionen (Anfang und Ende des Tricks) von Flyer und Base gezeigt, die stabil sind. Die mittleren 2 Bilder sind nur zur Veranschaulichung der Scherkraft während der Hochentlastung, da diese Momentaufnahmen nicht stabil sind!